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TEXTE – „TwoWorldsOneSun“, Schleuse 16, Böblinger Kunstverein, 2008

Gabriele Pfaus-Schiller

TwoWorldsOneSun

Ariane Faller und Mateusz Budasz aus Furtwangen sind mit einer gemeinsamen Installation TwoWorldsOneSun bei uns zu Gast. Selten gelingt es einer Ausstellung in dieser Galerie so unmittelbar, den Charakter des Experimentellen zu verkörpern. Was aber meint experimentell?
Man könnte es so sagen: Es geht darum, die Eigenheit des Raums aufzugreifen, sie vielleicht auch zu betonen, zugleich eine eigenständige Position beziehen.
Dies geschieht hier in vielfältiger Weise – wie, das wäre zu untersuchen.

Ich versuche es zunächst mit der Frage: Was gibt es hier eigentlich zu sehen?
Wenn wir uns auf diese Ecke konzentrieren, dann könnten wir, ein wenig vorschnell gewiss, den Eindruck gewinnen, da war jemand im Baumarkt unterwegs, auf der Suche nach Materialien, um die häuslichen vier Wände nach persönlichem Gusto auszugestalten.
Wir sehen hölzerne Böcke billigster Machart, von Künstlern häufig verwendet um Arbeitsflächen zu schaffen, daneben Kästen und Kistchen, Holzplatten, auf ihnen Farbe, Linien oder Gestricktes. Das alles scheinbar zusammengeworfen und um die Ecke herum aufgetürmt, wie, um es aus dem Weg zu räumen.
Dem einen mag die Installation unordentlich, oder sogar chaotisch, dem anderen aber auch ordentlich, vielleicht sogar penibel arrangiert vorkommen. Ariane Faller und Mateusz Budasz haben diese Reaktionen gleichermaßen schon erlebt: zu wirr und unordentlich – zu aufgeräumt und ordentlich.
Es kommt sicherlich darauf an, wer diese Installation betrachtet, in welcher Stimmung, mit welchen Erwartungen.
Geben wir unseren spontanen Gedanken und Empfindungen weiter nach, dann bleiben wir natürlich nicht an dieser Stelle stehen.
Denn was immer uns als erstes einfällt, es wird zum Impuls für den nächsten Einfall, der dann in eine ganz andere Richtung gehen kann.
Mit der ersten Wahrnehmung sind ja bereits weitere verbunden, das sinnliche Geschehen wird also zur sinnenden Bewegung. In ihr wird Erkennen möglich.

Fluss – ist eine Art von Bewegung. Hier fließt etwas um die Ecke: eine Ansammlung von Dingen, die aus etwas hervor zu brechen scheint, man könnte meinen, ihr Ursprungsort liegt dort oben bei dem schrägen Pfeiler. Fließend ist auch das Gefüge der Dinge, aus denen die Installation sich zusammensetzt. Holzböcke, Kästen und Platten greifen ineinander, verbinden sich als Teile eines Körpers, zugleich gehen sie in ihrer Materialität Verbindungen ein. Das Holz der Kisten und Platten ist von Linien durchzogen, die gefräst wurden, oder mit Farben entstanden, diese gemalt, pastos aufgeschichtet oder als Tropfspuren – auch hier wieder das Fließende! – manchmal ist das Holz mit Gestricktem überzogen.
Fließen bestimmt also den Charakter dieser Arbeit. Ein Fließen, das sich fortsetzt in den Raum. Es ging ja den beiden auch darum, die Dinge, die in ihrer eigenen Arbeitswelt, im Atelier, entstanden, in diesen Raum zu bringen, in eine andere Welt also, einen anderen Zusammenhang.
Es ist der Keller eines Alten Amtsgerichts, ein düsterer, dick ummauerter, kalter Raum, der markante Merkmale aufweist: drei gliedernde Säulen, die oben ein Podest bilden, ein Mauerwerk, das seine Eigenheiten besitzt, Stützpfeiler, zwei Durchgänge, die jeweils intime Teilräume bilden und zugleich offen verbunden sind, Bögen über den Durchgängen, Fensternischen.
Dieses Gefüge hat seine eigene Beschaffenheit: nicht massiv sondern leicht und offen, was auch in den vielerlei Schattenwürfen zum Ausdruck kommt, die sich an der Wand bilden. Es wirkt bewegt, der Raum statisch.

Die Mitte ist frei geblieben. Die Raummitte ebenso wie die Zwischenräume zwischen den Pfeilern. Gerade jene Orte also, an denen man vielleicht zuallererst Kunst platzieren möchte: Objekthaftes in den freien Raum, Malerei in die freien Flächen zwischen den Pfeilern.

Hier erhalten diese Orte eine Bedeutung durch den Verzicht: sie werden zum Raum, in dem die Bewegungen, die mit den Arbeiten entstehen, sich fortsetzen und verwandeln können.
Zum Beispiel die Installation um die Ecke: Fortsätze ragen in den Raum, auch die Flussrichtung ist nicht immer eindeutig, und es gibt keine klare Grenze. Oder die Platten, welche die Rippenstruktur der Heizungen aufnehmen und in den Raum verlagern: in ihren gefrästen Linien kehrt deren Struktur wieder.
Auch für parallele Linien gibt es ja im Unendlichen einen Punkt, wo sie scheinbar zusammenfinden. Dieses Finden ist hier an vielen Stellen gegeben, wenn das innere Auge bereit ist, die Verbindungen zwischen allem wahrzunehmen. Zum Beispiel auch in der Holzplatte auf dem Pfeiler, die das Muster der Deckenpaneele aufnimmt und über den massiven Mauerkörper in den Raum weiterleitet.Es werden also vielfach Grenzen angedeutet und aufgehoben.
Entgrenzung, so nennen die Künstler dieses Umgehen mit Dingen und Raum.
Es handelt sich hier jedoch nicht allein um das Aufheben von Grenzen, vielmehr ist es ein Hin und Her, ein Wechsel von Verbindung und Abgrenzung, von Nähe und Distanz, von Aufeinandertreffen und Auseinanderfließen.
Es sind die Gegensätze, welche Bewegung in Gang setzen: Fluss, also Fort-Bewegung über Grenzen hinweg, wird durch das Zusammenfügen von Dingen erfahrbar. Raum wird durch das erlebbar, was in ihm ist.
Dabei entsteht ein Ort, der dazwischen liegt, den Zwischenraum bildet: an ihm treffen Welt und Dinge zusammen. Hierher übersetzt hieße das: der Galerieraum und die Gegenstände der Installation treffen zusammen und wahren zugleich den Unterschied
Entgrenzung, das könnte man auch auf Begriffe anwenden: Längst sehen wir nicht mehr das Baumarktgerümpel, sondern das, was in diesem Raum geschieht. Wir werden offen für etwas, was sich uns zunächst verbarg.

Nicht zuletzt möchte ich auf jene Verbindung, die auch eine Art Entgrenzung ist, zu sprechen kommen, die durch das gemeinsame Auftreten von Ariane Faller und Mateusz Budasz zustande kommt.
Dazu möchte ich sie Ihnen zunächst ein wenig vorstellen. Beide haben an der Außenstelle der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe in Freiburg Malerei und Grafik studiert. Mateusz Budasz bevorzugt die Zeichnung, Ariane Faller die Malerei.

Nicht zum ersten Mal präsentieren sie sich gemeinsam. Hier unter einem phantasievollen Titel. Sagt nicht er schon einiges aus? Zwei Welten, eine Sonne. Zwei Welten, die sich unter derselben Sonne begegnen?
Jeder arbeitet zunächst an dem, was ihn beschäftigt. Ariane Faller malt, zieht Kreise, strickt, zieht das Gestrickte auf Holzrahmen auf. Die Struktur des Strickens kehrt in kreisenden oder schreibenden Malbewegungen wieder – auf Platten mit Pastellkreide, in der Malerei auf einigen der Kästen. Mateusz Budasz zeichnet und fräst gerade, einfache Linien. All dies, Stricken, Malen, Zeichnen, sind jeweils eigene Möglichkeiten, Formen zu finden.
Zunächst hatten beide gegenständlich gearbeitet. Irgendwann ergab es sich, dass sie die Gegenstände nicht mehr abgebildet, sondern so genommen haben, wie sie waren. Irgendwann führte das zum gemeinsamen Handeln. Da wurde zusammen getragen, erwogen, ausgewählt, gefügt und getrennt. Ein Prozess des aufeinander Eingehens, der einher ging mit dem Prozess des Eingehens auf diesen Raum.
Auch darin ist Entgrenzung: letztlich ist nun unerheblich, von wem welches Element der Installation stammt. Die Dinge, die jeder beisteuert, nähren und ergänzen sich gegenseitig.

Dass die Werkstücke, die sie mitgebracht haben, auch einen eigenständigen Charakter besitzen, wird im Café verdeutlicht.

Den nächsten Schritt möchte ich Sie nun endgültig Ihnen selbst überlassen.
Ich lade Sie ein, sich von gewohnten Begriffen und Sehweisen zu lösen und dem nachzuspüren, was in diesem Raum geschieht.